Mittwoch, 12. November 2014

Abitur in Südkorea [Suneung] oder auch: Die Vorhölle zur Uni.

Hallo ihr Lieben!

Bevor ich endlich von dem Konzert erzaehle, bei dem ich mitgeholfen habe, heute mal ein etwas anderer Post, denn morgen ist der wichtigste Tag in dem Leben aller Schueler der Oberstufe in Korea, naemlich das nationale Abitur. Abitur, bzw. Bildung in Korea laeuft alles ein klein wenig anders als bei uns. Anfangen tut es mit einem extremen Leistungsdruck sobald man auf die Schule kommt. Viele Eltern haben von vornherein bestimmte Vorstellungen fuer die Karrieren ihrer Kinder und sind dementsprechend streng. Im Gegensatz zu Deutschland besuchen fast alle Koreaner die Oberstufe und machen das Abitur (ca. 95%) - und so gut wie alle davon gehen danach auf eine Uni, naemlich auch circa 95%. Waehrend in Deutschland das Fach und die Leistungen entscheidend sind, ist in Korea der Name der Uni wesentlich wichtiger. Ziel ist es, auf eine der Top 3 Unis des Landes zu kommen: Seoul National University, Yonsei University und meine Uni, die Korea University. Wer es auf eine dieser drei Unis schafft, muss sich danach nicht mehr so extreme Sorgen um die berufliche Zukunft machen.

Aber zurueck zur Schulbildung: Ab Eintritt in die Oberstufe wird primaer fuer das Suneung, das nationale Abitur, gepaukt. Pauken bedeutet: Von 7 Uhr morgens bis 16 Uhr im Unterricht sitzen und danach bis durchschnittlich 2 Uhr nachts lernen (auch Samstags) bis es wieder um 7 in die Schule geht. Fast jede Schule hat sogenannte Leseraeume, die 24h genutzt werden koennen; diese werden teilweise von den Eltern gemietet, sodass man dort ungestoert lernen kann (eigentlich keine schlechte Sache an sich.) Zudem gibt es Nachhilfeschulen und kleine Hostels, in die manche Schueler sich fuer ein paar Monate einmieten, um ungestoert lernen zu koennen. Ich habe mich vorhin mit einer Bekannten unterhalten und sie meinte, dass sie circa 3 Jahre lang von 7 Uhr morgens bis um Mitternacht jeden Tag gelernt hat. Den einen Monat, den ich fuers Abi gelernt habe, ist lachhaft und unvorstellbar in den Augen meiner koreanischen Mitmenschen hier.

Wenn man diese Hoelle des Lernens dann geschafft hat, dann kommt irgendwann der große Tag: Suneung. Im Gegensatz zu Deutschland wird das nationale Abi in ganz Korea gleichzeitig an einem einzigen Tag geschrieben, circa 10 Stunden lang (mit Pause, ausnahmsweise.) An diesem Tag, der dieses Jahr auf den 13.11. faellt, gehen die meisten Menschen spaeter zur Arbeit, damit die Schueler alle rechtzeitig in die Schule kommen. Wenn man spaet dran ist, dann faehrt einem umsonst ein Taxi am Bahnhof oder sogar die Polizei, wenn greifbar, mit Blaulicht in die Schule. 

An der Schule angekommen warten dann die Schueler der unteren Stufen und feuern die Prueflinge mit Plakaten etc. an. Im Gegensatz zu Deutschland ist das Abi hier groeßtenteils Multiple Choice zum Ankreuzen, weshalb man es auch in einem einzigen Tag durchfuehren kann. Waehrend hingegen bei uns Aufgaben seitenlang mit Argumentationen bearbeitet werden muessen, fragt das Abi hier eher Wissen ab als kritisches Denken. Nach Koreanisch und Mathe gibts eine kurze Pause, dann geht es weiter mit der Englischpruefung. 

Bei der Englischpruefung gibt es einen Hoerteil, der circa 20 Minuten andauert. In dieser Zeit darf kein Flugzeug landen oder starten, damit die Geraeusche die Schueler nicht stoeren oder ablenken. Stellt euch das mal vor!! Da wird dann der ganze Flugbetrieb lahmgelegt in der Zeit. Das Abi ist wirklich wichtig hier.

Die Sache ist allerdings: Nicht jeder kann extrem gut abschneiden. Je nachdem, wie die Ergebnisse der anderen Studenten sind, wird man eingestuft: lediglich 4% aller Schueler koennen die beste Note erhalten, 7% die zweitbeste, und so weiter. Wie das genau funktionieren soll, weiß ich nicht. Auf meine Frage, was denn passiert wenn theoretisch alle Schueler 100% haetten, wurde mir nicht geantwortet. Also selbst wenn man richtig gut war, kann es sein, dass man schlechter eingestuft wird, da der Rest einfach besser war. Oder so. So ganz verstehen tue ich das nicht.

Waehrend die armen Schueler also in der Schule sitzen und den groeßten Streß ihres Lebens ausstehen, gehen die Eltern in den Tempel und beten und Spenden Geld fuer ein moeglichst gutes Pruefungsergebnis. In Suedkorea haengt alles von dieser einen Pruefung ab: Sie entscheidet, auf welche Uni man geht und die Uni entscheidet von vornherein, wie weit man es beruflich spaeter bringen kann oder eben auch nicht. Man kann die Pruefung jedoch theoretisch jedes Jahr wiederholen, um auf eine bessere Uni zu kommen. Die Zeit dafuer haben jedoch die wenigsten: Aehnlich wie in Korea ist das Alter "vorgegeben". Zwar kann man theoretisch auch mit Mitte 20 anfangen zu studieren, dies wird jedoch in Korea nicht gut betrachtet. Aus diesem Grund geht es deshalb auch von der Schule in die Uni - nicht so wie bei uns, wo inzwischen gefuehlt jeder erstmal ein Jahr Pause sich nimmt.

Interessant sind auch, wie die Pruefungsaufgaben zustande kommen: Lehrer, die die Aufgaben konzipieren, fahren fuer einige Wochen zu einem bestimmten Ort, wo dann abgeschottet von der Außenwelt (kein Handykontakt, nichts.) die Aufgaben konzipiert werden. Das Essen dort soll dafuer sehr gut sein. Finde ich persoenlich ein wenig uebertrieben, aber gut...

Nach der Pruefung gibt es dann in ganz Korea ueberall Sonderangebote fuer die Schueler verguenstigt ins Kino etc. zu kommen - morgen Abend sollte man also besser zuhause bleiben. Sich betrinken werden die meisten wohl nicht, da mit 18 Alkohol trinken noch  nicht erlaubt ist. Abends werden dann im Radio die richtigen Antworten der Pruefungen vorgelesen.

Alles in allem nimmt man das Abitur hier wahnsinnig ernst. Ich persoenlich finde es nicht so sinnvoll, wenn das ganze Leben von einer einzigen Leistung mit circa 18 Jahren abhaengt, zumal das meiste nur stupides Auswendiglernen ist. Dadurch, dass die Schueler so extremen Streß ausgesetzt sind, machen sie, sobald sie an eine gute Uni gekommen sind, erstmal gar nichts mehr. An den meisten Unis werden sowieso gute Noten vergeben (man muss ja zeigen, dass von einer guten Uni nur gute Studenten kommen!) solange man regelmaeßig zum Unterricht kommt. Viele Koreaner schlafen in der Uni, sitzen nur ihre Zeit ab oder betrinken sich sehr haeufig. Nach dem ganzen Streß vor der Uni kann man das auch irgendwo nachvollziehen.

Ich werde morgen also gemuetlich zuhause bleiben und in Gedanken den 700,000 Schuelern, die morgen antreten muessen, viel Erfolg wuenschen.
Liebe Grueße nach Hause!

Sam

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